Als Leaky-Gut-Syndrom (Syndrom des undichten Darms) werden die gesundheitlichen Folgen einer gestörten Darmbarriere bezeichnet. Welche Symptome können auf eine krankhafte Durchlässigkeit des Darms hinweisen? Ist ein Leaky Gut heilbar und was ist bei der Ernährung zu beachten?
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Im Überblick:
- Was ist das Leaky-Gut-Syndrom?
- Ursachen
- Symptome
- Diagnose
- Behandlung
- Ernährung
- Ist ein Leaky Gut heilbar?
- Vorbeugen
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Was ist das Leaky-Gut-Syndrom?
Leaky-Gut-Syndrom (übersetzt: Syndrom des undichten Darms) ist der laienmedizinische Begriff für gesundheitliche Probleme, die durch eine dauerhafte Störung der Darmbarriere beziehungsweise eine krankhaft erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut entstehen können. Eine Hypothese lautet, dass in diesem Fall vermehrt toxische und infektiöse Stoffe in den Blutkreislauf gelangen, die zum Teil chronische Entzündungsreaktionen an verschiedenen Organen auslösen können. Insbesondere die Alternativ-/Komplementärmedizin betrachtet das Leaky-Gut-Syndrom als Ursache einer Vielzahl von Symptomen und Krankheiten, darunter verschiedene Autoimmunerkrankungen.
In der evidenzbasierten Medizin wird (bislang) kein Leaky-Gut-Syndrom beschrieben. Zusammenhänge zwischen einer beeinträchtigten Darmbarriere und dem Auftreten verschiedener Krankheiten, insbesondere Autoimmunerkrankungen, sind aber immer häufiger Gegenstand wissenschaftlicher Studien. An der Existenz von Barrierestörungen des Darms bestehen keine Zweifel. Allerdings verwendet die Schulmedizin dafür den Begriff intestinale Permeabilitätsstörungen.
Da es sich nicht um eine schulmedizinisch anerkannte Erkrankung handelt, gibt es auch keine verlässlichen Angaben zur Verbreitung des Leaky-Gut-Syndroms.
Wie kann es zu einem Leaky Gut kommen?
Vereinfacht dargestellt besteht das Abwehrsystem des Darms, die Darmbarriere, aus drei Schutzschichten:
Darmflora (Mikrobiom, zu dem unter anderem die Darmbakterien gehören)
Schleimschicht (Mukusschicht)
Darmschleimhaut (Darmwand- und Blutzellen, darunter rund 70 Prozent aller körpereigenen Immunzellen)
Sind alle Schichten intakt, verhindert ihr Zusammenspiel, dass übermäßig viele krankmachende Mikroorganismen, Giftstoffe oder andere schädliche Partikel aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen. Der Transport von Nährstoffen und anderen erwünschten Molekülen ins Blut wird durch Schleimhautbrücken – sogenannte Tight Junctions (enge Verbindungen) – sichergestellt, über die die Zellen der Darmwand miteinander verknüpft sind und von denen einige über eine Kanalfunktion verfügen.
Zu einer Störung der Darmbarriere können nach derzeitigem Forschungsstand verschiedene Faktoren führen, darunter:
Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel (beispielsweise Fruktose-, Gluten-, Histamin- oder Laktoseintoleranz)
Nahrungsmittelallergien
Zöliakie (eine Autoimmunerkrankung bei der die Darmschleimhaut durch die Aufnahme von Gluten schwer beschädigt wird)
eine Fehlbesiedlung des Darms durch bestimmte Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (zum Beispiel Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa )
chronischer Stress und Schlafmangel
Einnahme bestimmter Medikamente (zum Beispiel Antibiotika, nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Antazida, Kortison oder Chemotherapeutika)
übermäßige Hygiene, etwa regelmäßige Verwendung von Desinfektionstabletten/-mitteln
Strahlentherapie
übermäßiger Alkoholkonsum
Rauchen
einseitige, ballaststoffarme Ernährung
Kontakt des Darms mit Umweltgiften (zum Beispiel toxischen Metallen)
Zellalterung
genetische Disposition
Zu beachten ist dabei, dass eine mikrobielle Fehlbesiedlung des Darms, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien sowie chronische Darmerkrankungen nicht nur als Ursache, sondern auch als Folge eines Leaky Gut in Betracht kommen.
Studien legen Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen nahe
In neueren Studien werden verschiedene Autoimmunerkrankungen, darunter zum Beispiel
- Typ-1-Diabetes,
- Hashimoto-Thyreoiditis,
- Lupus erythematodes,
- Multiple Sklerose,
- rheumatoide Arthritis,
- und Schuppenflechte (Psoriasis)
mit Ungleichgewichten in der Zusammensetzung der Darmflora (Dysbiose) und – daraus resultierend – mit Permeabilitätsstörungen des Darms in Verbindung gebracht. Ursache und Wirkung sind jedoch noch unklar. Bei Autoimmunerkrankungen handelt es sich um Störungsbilder, bei denen ein überschießendes Immunsystem körpereigene Zellen angreift. Die Immunreaktion äußert sich etwa in Entzündungssymptomen.
Woran lässt sich das Leaky-Gut-Syndrom erkennen?
Folgende Symptome werden als mögliche Hinweise auf ein Leaky-Gut-Syndrom beschrieben:
Blähungen und Bauchkrämpfe
Durchfall
Verstopfung
Völlegefühl
Sodbrennen (etwa im Rahmen der Refluxkrankheit)
chronische Entzündungen der Magenschleimhaut
Kopfschmerzen
Migräne
chronische Müdigkeit
Erschöpfung
verminderte Leistungsfähigkeit
erhöhte Infektanfälligkeit
Antriebslosigkeit
depressive Verstimmung
Ängste
Bluthochdruck
rheumatische Beschwerden
Hautekzeme
Allergien
Nährstoffmängel
Zucker- und Fettstoffwechselstörungen
unerklärbares Übergewicht
Nahrungsmittelintoleranzen
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Leaky-Gut-Syndrom keine anerkannte Diagnose ist und die aufgeführten Symptome auch in Zusammenhang mit zahlreichen anderen Erkrankungen stehen können.
Diagnostik: Wie wird ein Leaky Gut festgestellt?
Da das Leaky-Gut-Syndrom in der medizinischen Laienliteratur außerordentlich präsent ist und die Darmgesundheit verstärkt ins Bewusstsein der Menschen rückt, werden Ärzt*innen in der Praxis zunehmend mit dieser Selbstiagnose konfrontiert.
Die allgemein anerkannte, schulmedizinische Vorgehensweise besteht darin, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und beispielweise gastrointestinale Erkrankungen auszuschließen, die die Darmbarriere schädigen können. Dies wird durch eine ausführliche Anamnese und Differenzialdiagnostik umgesetzt. Zur weiteren Abklärung sind teilweise Darmbiopsien sowie Laboruntersuchungen notwendig.
Einige Praxen analysieren bei Verdacht auf Leaky Gut Blut-, Stuhl- und/oder Urinproben und erheben verschiedene Laborparameter, die Hinweise auf eine erhöhte Durchlässigkeit des Darms geben können. Dazu gehören zum Beispiel die Konzentration des Proteinbausteins Zonulin im Blutserum oder des Proteins Alpha-1-Antitrypsin (AAT) im Stuhl der Patient*innen. Manchmal wird auch ein oraler Provokationstest (Laktulose/Mannitol-Test) zur Abklärung empfohlen.
Insbesondere, wenn es sich um kostspielige Selbstzahlerleistungen handelt, sollten Betroffene prüfen, ob die geplante Diagnostik wissenschaftlich anerkannt und sinnvoll ist. Von freiverkäuflichen Tests ohne ärztliche Begleitung raten Fachleute dringend ab.
In Zukunft könnte die konfokale Laser-Endomikroskopie (Confocal Laser Endomicroscopy/CLE) bei der Diagnose eines Leaky Gut eine wichtige Rolle spielen, die derzeit im Rahmen von Studien überprüft wird: Mittels Spezialgerät können dabei die Schleimhautzellen des Darms mit rund 1000-facher Vergrößerung betrachtet und so auch Schäden an Zellwänden und Gefäßen festgestellt werden.
Wie wird das Leaky-Gut-Syndrom behandelt?
Da das Leaky-Gut-Syndrom bislang nur in der Alternativ-/Komplementärmedizin als Krankheitsbild anerkannt ist, existieren dafür keine allgemeingültigen Therapieempfehlungen.
Im März 2022 haben gastroenterologische Expert*innen aus Klinik, Praxis und Wissenschaft ein Konsenspapier zum Thema Leaky Gut erstellt. Darin heißt es: "Die Barriere-Störung stellt kein eigenes Krankheitsbild dar, sondern kann vielmehr Bestandteil verschiedenster Krankheitsbilder sein." Wird im Zusammenhang mit dem Verdacht auf intestinale Permeabilitätsstörungen eine chronische Darmerkrankung oder Nahrungsmittelunverträglichkeit diagnostiziert, steht im Fokus deren leitlinienkonforme Behandlung.
Pflanzliche Helfer und ein gesunder Lebensstil
Zur Stabilisierung der Darmbarriere können pflanzliche Arzneimittel eingesetzt werden: Ersten Studienergebnissen zufolge soll beispielsweise Myrrhe einer Beeinträchtigung der Tight Junctions entgegenwirken. Auch regelmäßige Bewegung und die Reduktion von chronischem Stress im Alltag können nachweislich eine Regeneration der Schleimhaut des Darms erzielen. Das Erlernen und regelmäßige Üben von Entspannungstechniken wie:
- Yoga,
- Progressive Muskelentspannung nach Jacobson,
- Hypnose,
- Meditation,
- und Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR)
kann demnach sinnvoll sein. Viele alternativ-/komplementärmedizinische Praxen und Online-Anbieter empfehlen darüber hinaus Kuren mit verschiedenen Nährstoffen und Probiotika, deren positiver Einfluss auf die Darmbarriere aber in der Regel nicht belegt ist. Grundsätzlich ist es ratsam, wissenschaftlich nicht untermauerte Therapieoptionen bei Leaky Gut – speziell, wenn sie mit hohen Kosten verbunden sind – kritisch zu hinterfragen.
Ernährung: Was essen bei Leaky Gut?
Um Verdauungsbeschwerden zu reduzieren, raten viele Fachärzt*innen bei Verdacht auf Leaky Gut zur sogenannten FODMAP-armen Diät, die ursprünglich zur Linderung eines Reizdarmsyndroms entwickelt wurde. Das Akronym FODMAP steht dabei für von Darmbakterien vergärbare (Englisch: Fermentable) – und damit häufig Blähungen und Durchfall verursachende –
- Oligosaccharide (Mehrfachzucker, die in großer Menge zum Beispiel in Hülsenfrüchten vorkommen)
- Disaccharide (Doppelzucker wie zum Beispiel Laktose oder Maltose)
- Monosaccharide (Einfachzucker wie zum Beispiel Glukose oder Fruktose)
- and (und)
- Polyole (Zuckeralkohole/kalorienreduzierte Süßungsmittel).
Im Rahmen einer Auslassdiät werden zunächst alle FODMAP-reichen Lebensmittel vom Speiseplan gestrichen und nach einer gewissen Zeit Schritt für Schritt wieder zugeführt. Abhängig von den jeweiligen körperlichen Reaktionen wird im Anschluss auf problematische Zutaten verzichtet.
Weitere Ernährungstipps beim Leaky-Gut-Syndrom
Allgemein gelten insbesondere
- glutenhaltige Getreideprodukte
- Milchprodukte
- Zusatzstoffe wie Emulgatoren, Konservierungsmittel und Aromastoffe
- künstliche Süßungsmittel (Süß- und Zuckeraustauschstoffe)
- weißer Haushaltszucker
als problematisch für die Darmgesundheit und sollten bei anhaltenden Verdauungsproblemen gemieden werden.
Ist ein Leaky Gut heilbar?
Eine gestörte intestinale Permeabilität verschwindet zwar in der Regel nicht mehr vollständig – ist also grundsätzlich nicht heilbar – gilt aber als gut kontrollierbar: Durch eine Umstellung des Lebensstils, unter anderem durch eine optimierte Ernährung, regelmäßige Bewegung und gezielte Entspannung, gelingt es häufig, die Darmbarriere so weit zu stärken, dass die auf einen Leaky Gut zurückgeführten Beschwerden deutlich minimiert werden und den Alltag nicht mehr oder kaum noch beeinträchtigen.
Prävention: Kann einem Leaky-Gut-Syndrom vorgebeugt werden?
Da die Existenz des Leaky-Gut-Syndroms nicht nachgewiesen ist, gibt es dazu auch keine allgemeingültigen präventiven Empfehlungen. Fest steht jedoch, dass der Lebensstil einen entscheidenden Einfluss auf die Darmgesundheit hat. Den wichtigsten Baustein bildet die Ernährung: Studien belegen, dass die Darmflora – also die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm (Mikrobiom) – durch einen ausgewogenen Speiseplan positiv beeinflusst werden kann. Sofern individuell gut verträglich, gilt eine ballaststoffreiche, frische, zucker- und fettarme Ernährung mit hohem Anteil pflanzlicher Nahrungsmittel als günstig für eine intakte Darmbarriere, weil sie wichtige Bakterienarten im Darm optimal gedeihen lässt. Hochgradig industriell verarbeitete Lebensmittel sollten nicht oder nur in geringen Mengen verzehrt werden.
Neben einer ausgewogenen Ernährung fördern regelmäßige Bewegung und eine gleichmäßig getaktete Lebensführung einen gesunden Darm und Körper. Nikotin, Alkohol und andere Giftstoffe, Schlaf- und Bewegungsmangel sowie anhaltender Stress können sich negativ auswirken. Da jedoch auch (chronische) Erkrankungen und Infektionen sowie eine genetische Disposition Defekte an den Darmzellen und Tight Junctions verursachen können, ist ein gesunder Lebensstil kein Garant dafür, eine pathologische Durchlässigkeit des Darms und ihre Folgen – gemeinhin als Leaky-Gut-Syndrom bezeichnet – zu verhindern.
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