Eigentlich sollte nächste Woche ein Urteil fallen, nun wurde der Strafprozess gegen Alec Baldwin überraschend eingestellt. Wie es dazu kam und wie es weitergehen könnte.
Von Carl Friedrichs
Im Jahr 2021 dreht Alec Baldwin auf der Bonanza Creek Ranch im US-Bundesstaat New Mexico den Westernfilm Rust. Bei der Low-Budget-Produktion ist derHollywoodstar Produzent und Hauptdarsteller zugleich – und bald auch Hauptangeklagter in einem realen Strafprozess. Nachdem ein versehentlich scharfer Schuss eine Kamerafrau tötet, muss sich Baldwin wegen Totschlags vor Gericht verantworten, ihm drohen bis zu 18 Monate Haft. Jetzt stellte ein US-Gericht den Prozess überraschend ein – wie kam es dazu? Und welche Prozesse gab und gibt es außerdem infolge des Unfalls? Fragen und Antworten
Was ist damals am Filmset passiert?
Während der Dreharbeiten für den Westernfilm Rust im Oktober 2021 hantierte Alec Baldwin mit einem Revolver, der ihm zuvor gereicht worden war. Bei der folgenden Szenenprobe löste sich dann ein Schuss, doch statt mit harmloser Filmmunition war die Waffe scharf geladen: Eine Kugel traf zunächst die 42-jährige Kamerafrau Halyna Hutchins und dann den Regisseur Joel Souza. Hutchins wurde dabei tödlich getroffen, Souza wurde verletzt.
Die Polizei im US-Bundesstaat New Mexico nahm darauf Ermittlungen auf. Demnach hatte die Waffenmeisterin des Filmsets, Hannah Gutierrez-Reed, vor dem Unfall drei Waffen für den Dreh vorbereitet. Eine davon habe dann der Regieassistent David Halls an Baldwin gereicht, mit dem Hinweis "cold gun" – US-amerikanischer Waffenslang für eine ungefährliche, nicht scharfe Waffe. Dass der Revolver dennoch tödlich geladen war, hätten beide nicht gewusst. Baldwin plädierte stets auf nicht schuldig und behauptete zudem, vor dem Unfall nie den Abzug der Waffe betätigt zu haben – was ein Expertengutachten allerdings anzweifelt.
Warum wurde der Prozess überraschend eingestellt?
Die Einstellung dieses Prozesses erfolgte eher aus verfahrenstechnischen Gründen, die eigentliche Schuldfrage zum Vorwurf der fahrlässigen Tötung gegen Baldwin wurde dabei nicht juristisch geklärt.
Die zuständige Richterin Mary Marlowe Sommer sah es als erwiesen an, dass die Anklage Baldwins Verteidigern vorsätzlich Beweismittel vorenthalten hat.Das habe die "grundsätzliche Fairness" des Verfahrens unwiderruflich beeinflusst, sagte Sommer, weshalb die Einstellung des Verfahrens der einzige Rechtsbehelf sei. Damit gab sie einer Forderung der Anwälte Baldwins statt: Diese hatten Belege dafür vorgelegt, dass der Polizei scharfe Munition im Zusammenhang mit dem tödlichen Schuss übergeben worden war, von der die Verteidigung nie erfahren hätte. Darunter sei offenbar auch das Projektil gewesen, das Hutchins getötet hat. Weil sie davon nichts gewusst habe, hätte Baldwins Verteidigung auch keine Untersuchung der Beweismittel anordnen können.
Die zuständige Staatsanwältin Kari Morrissey auf der anderen Seite hatte zuvor versichert, sie habe die Kugeln vor deren Auftauchen vor Gericht weder gesehen noch von ihrer Existenz gehört. Doch dann stellte sich heraus, dass Morrissey bei Gesprächen anwesend war, in denen beschlossen wurde, die Kugeln nicht als Beweismittel in die Verfahrensakte aufzunehmen. Gegenüber der Richterin konnte Morrissey diesen Umstand ebenso wenig erklären wie die fehlende Information an die Verteidigung. Daraus folgte die Einstellung des Verfahrens.
Könnte es doch noch ein Urteil gegen Baldwin geben?
Das jüngste Urteil ist aus Sicht von Rechtsexperten wahrscheinlich das Ende der strafrechtlichen Behandlung des Falls gegen Baldwin. Die Anklage war bereits zuvor einmal vorübergehend fallen gelassen worden, weil weitere Untersuchungen abgewartet werden sollten; dieses Mal ordnete die Richterin jedoch an, dass das Verfahren nicht neu aufgerollt werden kann. Allerdings könnten auf Baldwin weitere zivilrechtliche Klagen zukommen.
Hatte der Vorfall weitere juristische Folgen?
Gegen die verantwortliche Produktionsfirma des Films Rust hat eine Aufsichtsbehörde wegen erheblicher Sicherheitsmängel am Set die Höchstgeldstrafe von über 130.000 US-Dollar verhängt. Infolge des Unfalls gab es aber noch zahlreiche weitere Klagen, zum Teil beschuldigten sich Beteiligte gegenseitig.
In den Fokus der Ermittlung und der juristischen Aufarbeitung geriet neben Baldwin die Waffenmeisterin von Rust, Hannah Gutierrez-Reed. Sie wurde im April 2024 wegen fahrlässiger Tötung zur höchstmöglichen Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt. Vom Vorwurf der Beweismanipulation wurde Gutierrez-Reed hingegen freigesprochen. Ihrerseits klagte Gutierrez-Reed zivilrechtlich gegen einen Requisiteur des Films, der unter anderem die verwendete Munition geliefert haben soll.
Ein Jahr zuvor wurde der Regieassistent David Halls wegen des nachlässigen Umgangs mit einer tödlichen Waffe zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Hinzu kamen eine Geldstrafe von 500 US-Dollar, 24 Stunden Sozialarbeit und ein verpflichtender Kurs für Waffensicherheit.
Im Februar 2022 forderten der Ehemann und der Sohn der getöteten Halyna Hutchins Schadenersatz von Baldwin, in diesem Fall einigte man sich außergerichtlich. Ein Jahr später reichten auch die Eltern und die Schwester der Kamerafrau eine Zivilklage gegen Baldwin ein und forderten Schadenersatz. Sie leben in der Ukraine und leiden nach eigener Aussage nicht nur seelisch, sondern angesichts des Krieges auch finanziell unter dem Verlust ihrer Tochter.
Alec Baldwin hat seinerseits im November 2022 die Waffenmeisterin Gutierrez-Reed sowie den Regieassistenten Halls verklagt; laut Gerichtsdokument, um seinen Ruf wiederherzustellen, aber auch für eine Entschädigung. Auch der Chefbeleuchter des Films, Serge Svetnoy, sowie dieDrehbuchaufseherin, Mamie Mitchell, sahen sich seelisch geschädigt und forderten wiederum von Baldwin Schadenersatz in unbekannter Höhe.
Wie reagierte die Filmbranche auf den Unfall?
In den USA ist es nicht unüblich, dass an Filmsets echte Waffen genutzt werden, die auch für den Einsatz mit scharfer Munition geeignet wären. Diese Praxis wird besonders seit dem tödlichen Unfall mit Alec Baldwin stark kritisiert, Filmschaffende forderten bessere Sicherheitsvorkehrungen.
Auch bei den Dreharbeiten zu Rust, einer Low-Budget-Produktion, sind nach Ansicht der Anklage und der Familie der Getöteten Sicherheitsvorkehrungen vernachlässigt worden. Zudem sei es unnötig gewesen, einen funktionstüchtigen Revolver zu nutzen, auch eine Attrappe hätte genügt. Die Filmarbeiten zu Rust wurden anderthalb Jahre nach dem Unfall fortgesetzt – dann ohne funktionierende Waffen.
Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP.